Siegfried-Pater-Preis geht an Kathrin Hartmann

Siegfried-Pater-Preis 2016

Siegfried-Pater-Preis geht an Kathrin Hartmann

Der erstmals verliehene Siegfried-Pater-Preis geht an die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann.

In einem mitreißenden Festakt wurde am Sonntag, dem 25. September 2016 in der Pallottikirche an Haus Wasserburg in Vallendar der Siegfried-Pater-Preis verliehen. Die erstmalig verliehene Auszeichnung, benannt nach dem 2015 verstorbenen Verlagsgründer, Publizisten und Filmemacher, ging an die Münchner Journalistin Kathrin Hartmann, die mit Herz, Mut, Leidenschaft und dem unbeirrbaren Blick für Ungerechtigkeit in den Ländern des Südens recherchiert. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen fasst sie packend und gleichzeitig berührend in ihren Büchern zusammen und gibt damit den von gesellschaftlicher Teilhabe Ausgegrenzten eine Stimme.

Somit fiel das Votum der Jury auch einstimmig aus, da Hartmanns Arbeit zu den publizistischen Projekten gehöre, die investigativ und partizipativ Sprachrohr für mehr Gerechtigkeit sein wollen. Mit den ausgesetzten 1.500 Euro plant Hartmann eine Recherche in Bangladesch, wo Kleinbauern gemeinsam gegen die Macht der Agrarkonzerne kämpfen, die dort gentechnisch verändertes Saatgut und eine hochtechnisierte Landwirtschaft etablieren möchten.

Laudator Dr. Wolfgang Storz bescheinigte der Preisträgerin, dass sie sich wie Pater nicht scheue, Spielverderberin in einem üblen Spiel zu sein und zu denen gehöre, die nicht missionieren, aber aufdecken wolle. Sie schaue genau nach und bewahre auch gegen Widerstand ihre Haltung. So wehrte sich die Preisträgerin mit Leidenschaft und Humor gegen das Stammtisch-Credo: «Da kann man doch sowieso nichts machen!» - und setzt sich vehement dafür ein, die Akteure vor Ort als Experten in eigener Sache anzuerkennen und emanzipatorische Ansätze im jeweiligen Land zu fördern. Ein ganz herzlicher Dank geht an alle, die mitgeholfen haben, diese Verleihung unvergesslich zu machen: Der Jury, dem Laudator, dem Team Haus Wasserburg, der Musikgruppe Mano a Mano und vielen weiteren.

Mut und Entschlossenheit überzeugten die Jury

Die Jury hat sich einstimmig für Kathrin Hartmann als Gewinnerin des Preises entschieden, da sie bei ihrem Projekt und ihrer bisherigen Arbeit den gleichen Mut und die selbe Entschlossenheit sehen, mit der auch Siegfried Pater Missstände aufgedeckt und zu deren Veränderung er beigetragen hat.

Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann
Foto: Stephanie Füssenich

Das ist Kathrin Hartmann

Die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Skandinavistik in Frankfurt und arbeitete anschließend bei der Frankfurter Rundschau als freie Autorin, Volontärin und Redakteurin für die Ressorts Nachrichten und Politik.

Von 2006 bis 2009 war sie Textredakteurin bei Neon, seit 2009 ist sie freie Autorin für u.a. Enorm, Frankfurter Rundschau, Spiegel, Süddeutsche Zeitung und Autorin der Bücher: „Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt“, „Wir müssen leider draußen bleiben. Die neue Armut in der Konsumgesellschaft“ (erschienen im Blessing-Verlag) und „Aus kontrolliertem Raubbau. Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren“. Seit 2014 macht sie außerdem die politische Redaktion und Recherche für die Fernsehsendungen „Ohne Garantie – Die Verbraucher-Show“, ZDF, „Philip Simon – Gute Nacht Deutschland“, WDR und „Mann, Sieber!“, ZDF.

Mit dem Preisgeld plant Kathrin Hartmann eine Reise nach Bangladesch. Dort will sie recherchieren, wie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern gemeinsam gegen die Macht der Agrarkonzerne kämpfen, die gentechnisch verändertes Saatgut und eine hochtechnisierte Landwirtschaft unter dem Deckmäntelchen der Armuts- und Hungerbekämpfung sowie der sogenannten Klima-Anpassung etablieren möchten.

Neben dem Protest der lokalen Bewegungen will die Autorin untersuchen, welche Landwirtschaft die Menschen dort selbst fordern und bereits leben und warum diese geeignet ist, Armut und Hunger tatsächlich abzuschaffen. Die Journalistin und Buchautorin hat Bangladesch bereits zwei Mal bereist, um dort die verheerenden Auswirkungen von Mikrokrediten, Social Business, der Garnelenzucht in Aquakulturen und der Einführung der gentechnisch veränderten Aubergine Bt Brinjal zu recherchieren. Das "falsche Gute" insbesondere in der Entwicklungshilfe und in den Nachhaltigkeitskonzepten der reichen Länder des globalen Nordens zu entlarven, steht im Zentrum von Kathrin Hartmanns journalistischer Arbeit.

Zitat

Über Ihre Motivtation schreibt Kathrin Hartmann

Bei allem Elend, das ich in Bangladesch und anderen Länder des Südens gesehen habe, bin ich doch jedes Mal mit großer Hoffnung zurückgekehrt. Weil die Menschen, insbesondere die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und ihre Bewegungen dort mit so großer Leidenschaft und Kraft, Liebe, Klugheit und Mut gegen alle Widerstände, gegen eine totalitäre Weltordnung und für eine ökologisch und sozial gerechte Welt kämpfen. Von ihnen lerne ich immer wieder, welche großen Veränderung möglich sind, wenn man solidarisch ist.

Die Finalisten

Über 40 Bewerbungen sind fristgerecht beim Retap-Verlag eingegangen, die sich einem kunterbunten Spektrum der partizipativen Berichterstattungen widmen. Ob ein integratives Theaterstück im Ökodorf Sieben Linden, eine Essay-Sammlung zum Thema "Indien - Eine Weltmacht mit inneren Schwächen" oder aber Texte zu den Themen Bienensterben, Pflegenotstand, Punkbewegung...das Spektrum und die Qualität der eingereichten Arbeiten und deren thematische Dringlichkeit zeigen eines deutlich auf: Partizipative Berichterstattung auf den Spuren Siegfried Paters ist auch im Jahr 2016 noch ein dringliches Feld, dem sich viele Menschen mit Herz und Verstand widmen.

Der RETAP Verlag bedankt sich bei allen Einsendungen.

Anant Kumar ist auf den Spuren Siegfried Paters

Der Kasseler Autor Anant Kumar, hat mit seiner Publikation "Indien – eine Weltmacht mit inneren Schwächen" (ISBN: 3954800217) ein Werk eingereicht, das sicherlich auch bei Verlagsgründer Siegfried Pater flammendes Interesse geweckt hätte. Der 1969 in der im Osten Indiens gelegenen Stadt Katihar geborene Kumar studierte in Kassel Germanistik und beschäftigt sich - neben vielen anderen Tätigkeitsfeldern - wie schon Siegfried Pater mit den inneren wie äußeren Diskrepanzen des knapp 1,3 Milliarden Menschen vereinenden Vielvölkerstaates. Konzentrierte sich Siegfried Pater stets auf einen sachlichen Stil zur Veranschaulichung abstrakt wirkender Probleme eines scheinbar weit entfernten Landes, greift der Kosmopolit Kumar auf vielfältige stilistische Mittel zurück und gewährt gerade dadurch detaillierte Einblicke in eine faszinierende Kultur. Wir bedanken uns sehr herzlich bei Anant Kumar für diesen ausgereiften Wettbewerbsbeitrag und legen dem geneigten Leser seinen jüngst beim Geheimsprachen Verlag erschienenen Roman Berlin-Bombay ans Herz.

Weitere Informationen und Publikationen von und zu Anant Kumar gibt es auf seiner Wikipedia-Seite.

Helga Pregesbauer und ihre Arbeit zum Thema Rape Culture

Die in Wien lebende selbständige Werbetexterin ist neben zahlreichem weiteren Engagement Mitorganisatorin von One Billion Rising Austria 2015 und verfügt über langjährige - sowohl aktivistische wie auch wissenschaftliche - Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit den Themen Sexualitäten, sexualisierte Gewalt und Sexarbeit. Ihr Projekt „Rape Culture in den Medien. Wie Vergewaltigung zur Sprache kommt und dessen Einfluss auf Menschen. Analyse und Handbuch“ untersucht die vielfältigen Arten sexueller Gewalt sowie den Umgang damit und schildert eindrücklich, wie viele Frauen lieber verstummen, als über das zu reden, was sie erlebt haben. Pregesbauer berichtet über universelle Strukturen von Diskriminierung, die Geschichte Sexualisierter Verbrechen und Vergewaltigungen in der Justiz und zeigt auf, welche Folgen Verharmlosung, Opfer-Täter-Umkehrung, Vergewaltigungsmythen, Falschbeschuldigungen und vieles andere mehr für die Betroffenen haben. Pregesbauer hat daher ein Medientoolkit erstellt: Wie schreibt man sensible Berichte, wie findet man Material , wie geht man seriös mit Betroffenen und erläutert, wie erfolgreicher Aktivismus funktioniert. Das Buch thematisiert die Ursachen der Stigmatisierung von vergewaltigten Menschen privat und durch die Justiz. Pregesbauers Wunsch ist es, unterschiedlichen von Sexualisierten Verbrechen betroffenen Menschen eine Stimme zu geben und ihre Stimmung zu transportieren, um diese eben nicht nur theoretisch abhandeln. Zentral sind Erklärungen, wie es soweit kam, um hier ansetzen zu können, gesellschaftlich etwas zu verändern und eine positive Sprache entwickeln zu können.

Nähere Informationen zur Autorin auf ihrem Webblog.

Simone Fischer und ihr Buchprojekt über den indischen Pater Franklin Rodriguez

Die Düsseldorfer Journalistin und Autorin Simone Fischer reiste im Herbst 2015 ehrenamtlich für die Indienhilfe Deutschland e.V. nach Indien, zur Begleitung und Unterstützung gezielter Entwicklungshilfeprojekte des indischen Paters Franklin Rodriguez. Über ihre Erfahrungen, Begegnungen und Recherchen ist bereits im Februar 2016 ihr Buch „Tage in Indien“ erschienen. Seit fast 50 Jahren kämpft Rodriguez für die Ärmsten der Armen, gegen Ungerechtigkeit und für Bildungschancen für alle Kinder Indiens – ganz gleich welcher Religions- oder Kastenzugehörigkeit. Ihr Ziel ist es, eine Biografie über das außergewöhnliche Leben, den Mut und die Entschlossenheit von Franklin Rodriguez zu schreiben. Auf stillem, gewaltlosem Weg und doch gegen die nach wie vor bestimmende Korruption in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens, ist es ihm gelungen, bis heute mehr als 10 000 Menschen, insbesondere Kindern, durch Schul- und Ausbildungsprojekte eine selbstbestimmte Zukunft jenseits ihrer Herkunft von den Slums oder der Straße zu ermöglichen. „Ich möchte seinen Mut und sein Engagement nach ‚draußen‘ tragen, um zugleich damit auch jenen eine Stimme zu verleihen, die sich selbst nicht wehren können“, erklärt Fischer. Sie schreibt zu ihrem Vorhaben: "Eine Seite von Indien ist gekennzeichnet durch hohes Wirtschaftswachstum, wobei die prosperierende Wirtschaftslage nur bei einem geringen Teil der Bevölkerung ankommt. Indien als Ganzes ist nach wie vor von Armut geprägt. Hinzu kommen das Kastensystem, Menschenrechtsverletzungen, gesellschaftspolitische Reliquien des Kolonialismus und nicht zuletzt Naturkatastrophen. Parallel dazu stehen Franklins unbeirrbarer Kampfgeist und seine Beharrlichkeit entgegen aller Konsequenzen, die Hoffnung auf ein Stück mehr Gerechtigkeit im eigenen Land und die - wie er es gern nennt - „grüne Revolution“, nämlich Aufklärung durch Bildung als eine Form der Hilfe zur Selbsthilfe, niemals aus den Augen zu verlieren."

Jenny Wölks Humpostolien, das Land der Außenseiter

Eine besonders bunte Einreichung zum Siegfried-Pater-Preis erreichte uns mit dem Theaterstück HUMPUMSTOLIEN – Das Land der Außenseiter aus der Feder der Autorin, Sozialarbeiterin und diplomierten Sozial-Pädagogin Jenny Wölk, deren Biographie trotz ihrer gerade dreißig Lenzen schon an sich reichlich Lesestoff bietet: 1986 bei Hamburg geboren und klassisch das Laufen gelernt, um die Welt schon bald darauf nicht nur sprichwörtlich auf eigenen Füßen zu entdecken. Ob alleine als Backpackerin zwischen Nomaden in der Mongolei, ob als Reiseassistenz eines Rollstuhlfahrers zwischen Kanada und Panama oder als Sozialarbeiterin im südafrikanischen Aids-Waisenhaus „Bethel Heaven“ – die Welt ist rund und Jenny Wölk will sie entdecken. Im altmärkischen Ökodorf „Sieben Linden“ arbeitet sie dort neben unzähligen weiteren Tätigkeitsfeldern an ihrem zum Wettbewerb eingereichten Theaterstück „Humpstolien – das Land der Außenseiter“.

Jenny Wölk, die schon im Alter von elf Jahren erstmals Bühnenluft schnupperte und seither in allen erdenklichen Rollen rund um das Theater ihre Erfahrungen gesammelt hat, erzählt mit Humpostolien ein Märchen in realistischem Gewand und gleichzeitig eine hochaktuelle politische Parabel rund um die kindliche Protagonistin Stine, die aufgrund ihrer wie auch immer gearteten Andersartigkeit in der Schule gehänselt wird und sich ein Land wünscht, in dem das Anders-Sein einfach nur normal ist. Zu ihrem Glück gibt es den Elfen Rums, der sie nach Humpustolien bringt – dem Land der Außenseiter. Dieses wird jedoch von der bösen Hexe Barbara bedroht, die Humpustolien an sich zwar nicht dem Erdboden, wohl aber dessen Bewohner „gleich machen“ will: Statt Vornamen sollen sie doch bitte schön nach Diagnosecodes des ICD-10 benannt werden – um nur ein Detail der Aktualität dieses modernen Märchens zu verraten. Mit dem Ökodorf „Sieben Linden“ hat Wölk wohl den – wenn es das denn überhaupt gibt – perfekten Rahmen für eine Erzählung, die das miteinander Anders-Sein zum Kern ihrer Geschichte macht. Wir bedanken uns bei Jenny Wölk und drücken ihr bei der weiteren Realisierung von Humpustolien alle verfügbaren Daumen!

Mehr Informationen auf www.kreany.de/jenny-wölk/ und www.siebenlinden.de

York Freitag paart Onan und die Bienen

York Freitag paart „Onan und die Bienen“ Sein Essay „Onan und die Bienen“ entstand, so der in Berlin lebende Autor und Lehrer York Freitag, unter dem Eindruck diverser Beiträge rund um den Themenkreis Genmanipulation bis Bienensterben: „Fortpflanzungskontrolle und kommerzielle Interessen scheinen immer unverhohlener Hand in Hand zu gehen und um die Zukunft der Menschheit ein zynisches Würfelmatch auszutragen. Somit rücken Dystopien in Form der Frage nach der uns verbleibenden Verweildauer auf diesem Planeten ins Bewusstsein. Einen entsprechenden Erfahrungsrahmen bilden bipolare Phänomene wie Technik und Religion, Chemielobby und Schöpfungsgeschichte, Zeugungsentsagung und Wiederbelebung. Doch was ist die tiefere Ursache dessen, worauf die Einstein zugeschriebene nüchterne Prognose einer Vierjahresfrist, die dem Menschen bliebe, verschwänden die Bienen von der Erde, hinmahnt? Der Essay untersucht vor allem, inwieweit die grassierende Unfruchtbarkeit (die etwa in verzüchteten Nutzpflanzen ihren Niederschlag findet, aber auch geistigen Charakters ist) sich womöglich als Spiegel erweist einer überdimensionierten Ich-Bezogenheit, die sich selbst zur Zeugungsunfähigkeit verdammt. Den Hintergrund bildet die Verweigerung der Leviratsehe durch die alttestamentarische Figur des Onan. Es wird die Frage berührt, wie sich – im Grunde seit der Schöpfung (ob per Urknall oder creatio ex nihilo , dem bzw. der mit Adam ein Gottesklon entsteigt) – das Weiterschöpfen zum einen verselbstständigt hat, zum anderen verflacht ist hin zu reiner Selbstbespiegelung. Das Bienensterben mag hierfür Sinnbild sein.“ York Freitag, der bisher vor allem als Lyriker in Erscheinung getreten ist (er publiziert in Zeitschriften und Anthologien, tritt auf Lesebühnen und Poesiefestivals auf), plant weitere zeitgeistkritische Essays, Themen u. a.: „Grenzen, Geld, Gewehre – eine Dreiersymbiose“, „Lechts – rinks: Im Bann der Extreme“, „Lächeln und Lüge: Wie wir uns selbst leimen“.