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No Future?

Hier werden Mitglieder des Vereins einzelne Themen von Siegfried Pater aufgreifen. Siegfried Pater hat seine Themen stets über viele Jahr oder sogar Jahrzehnte jenseits von tagespolitischen Interessen oder medialen Strömungen begleitet.

Siegfried Pater hat seine Themen stets über viele Jahr oder sogar Jahrzehnte jenseits von tagespolitischen Interessen oder medialen Strömungen begleitet. Mit zahlreichen seiner Themen beschäftigen sich Medien, Politik und Gesellschaft heute intensiver denn je.

Grund genug für die Mitglieder des Siegfried Pater e.V. einzelne Themen aufzugreifen. Dargestellt wird, in welcher Weise sich Siegfried Pater dem jeweiligen Thema seinerzeit genähert hat und welche gesellschaftspolitischen Forderungen er einforderte.

Dem folgt die Darstellung des Themas in der Gegenwart: Wo stehen wir heute? Welche Veränderungen sind eingetreten? Sind Fortschritte zu verzeichnen? Waren (negative) Entwicklungen absehbar?

Im dritten Teil der Zukunft skizziert der Autor die zukünftige Entwicklung des Themas aus seiner Sicht, aber auch wie Siegfried Pater aktuelle Entwicklung bewerte und welche Forderungen er wiederum erhoben hätte.

Soja

"Immer mehr Familien fliehen vom Süden Brasiliens ins Amazonasgebiet. Soja-Flüchtlinge werden sie genannt, darunter auch geflüchtete Donauschwaben, sie hatten einst die Sojabohne nach Brasilien gebracht, die ihnen nun zum Fluch wird. Mit Soja könnte der Hunger in der Welt bekämpft werden.Seit Jahrtausenden bauen die Chinesen die nährstoffreiche Bohne in allen Klimazonen an.

Heute wird die Bohne weltweit angebaut, aber nicht als Nahrungsmittel, sondern als Viehfutter. Neben der USA beliefert auch Brasilien den Weltmarkt. Im industriellen Zeitalter ist aus Nahrungsmittel Futtermittel geworden. Das ernährt die Tiere und lässt Menschen hungern, da das Land nicht mehr für den Anbau von Grundnahrungsmitteln zur Verfügung steht. Ein Tier muss die zehnfache Menge pflanzlicher Proteine verzehren, wie es tierische selbst produziert."

Dieser Text ist nachzulesen im Buch "Zum Beispiel Soja" von Siegfried Pater und Boris Terpins aus dem Jahr 1993. Beide Autoren recherchierten in Brasilien zum Sojaanbau und den dramatischen Folgen für die Landbevölkerung. Dokumentiert in dem Film  "der Sojakomplex".

Die Situation hat sich in den letzten 30 Jahren im Grunde nicht verändert. Ganz im Gegenteil, der exzessive Sojaanbau und die Gewinne daraus sind enorm gestiegen. Die Monokultur verschlingt Unmengen an Pestiziden und Dünger, der Sojaanbau hat sich tief in den Urwald Amazoniens gefressen, mit allen bekannten Folgen für die Natur und das Weltklima.

Soja ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, wir finden es nicht nur in vegetarischen und veganen Lebensmitteln als Tofu und Fleischimitat, sondern in vielen Bestandteilen unseren täglichen Lebens .z.B. in Schädlingsbekämpfungsmittel, Dünger, Arzneimittel, Schokolade, Plastik, Kekse, Bier, Farbe, Kunstfaser um nur einige der etwa 150 Anwendungsbereiche zu nennen.

Doch nach wie vor findet die kleine Wunderbohne Verwendung als Tierfutter. Unsere Bauern halten quasi ihre Kühe auf der Betonplatte und verfüttern das Sojakraftfutter. Die EU subventioniert die Massentierhaltung, die riesigen Mengen an Futtermittel produzieren Fleischberge und Milchseen. Das wirtschaftliche Denken dominiert unsere Lebensbereiche und führt uns weiter in die Umweltzerstörung, Tierquälerei, Ungerechtigkeit und letztendlich auch in eine bedenkliche Ernährung die für den Menschen nicht förderlich ist.

Soja war ja nur eines der vielen Themen die Siegfried Pater damals vor 40 Jahren in Brasilien recherchierte und in Büchern, Vorträgen, Zeitungsartikeln und Filmen verarbeitete.

All das ist auch heute noch sehr aktuell. Allerdings standen damals die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft, die Mitverantwortung für das Weltklima, die Zerstörung der Natur und der Rückgang der Artenvielfalt nicht so im Mittelpunkt wie das heute in der Diskussion ist.

Das Bewusstsein hat sich schon im Laufe der Jahre verändert aber noch nicht unser handeln. 60 Milliarden Tiere werden jährlich geschlachtet. Was für einen Irrsinn.
Heute wünschen sich 43% der deutschen BevölkerungLebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft.

Der Buchautor hätte das damals nicht für möglich gehalten, dass diese Entwicklung noch mehr zerstörerisches Potential entwickelt.Einen großen Anteil an der Fleischproduktion und Futtermittel aus Soja haben nach wie vor die Fastfoodketten.

Dazu hat Siegfried Pater viele Bücher veröffentlicht, das war mit ein Schwerpunkt seiner vielfältigen, kritischen publizistischen Arbeit.

Gaby Pater

Pater Dom Rodrigues

Der Bischof der Geknechteten

Der Redemptoristenpater José Rodrigues de Souza, ein enger Freund und Mitstreiter Siegfried Paters gegen Unrecht und Unterdrückung, wurde am 25. März 1926 in Paraiba do Sul im Bundesland Rio de Janeiro geboren und starb am 09. September 2012. Er wurde 1950 zum Priester geweiht und 1974 zum Bischof der Diözese Juazeiro, Brasilien, ernannt. Gerade zu dieser Zeit wurde dort mit dem Bau des flächenmäßig größten Stausees Südamerikas, dem Sobradinho-Staudamm, begonnen. Dieser wurde benötigt, um die Felder der Großgrundbesitzer zu bewässern. Da das Land überflutet werden sollte, wurden unzählige der dort ansässigen Bauern und Fischer vertrieben und zu „Flüchtlingen im eigenen Land“ gemacht (Siegfried Pater). Als Vertreter einer Kirche der Armen und Unterdrückten stellte sich José Rodriguez an die Seite dieser Menschen und wurde zum Feind der Großgrundbesitzer und der Profiteure des Projektes. Der Coelha-Clan als größter Landbesitzer war sein direkter und schärfster Gegner, denn er kontrollierte Politik, Wirtschaft und Kultur. 

Die vom Fluss vertriebenen Kleinbauern hatten keinen Zugang mehr zu Trinkwasser, und die Pistoleros des Coelha-Clans bewachten das Ufer. Als die Bauern das Land stürmten, um  die Bewaffneten zu vertreiben, kam es zur Tötung zweier Pistoleros. Da Dom José, wie ihn die arme Bevölkerung nannte, als Vater des Widerstandes galt, wurde er inhaftiert. Eine internationale Solidaritätsaktion, an der sich auch deutsche Kirchengemeinden beteiligten, konnte seine Entlas-sung erwirken.
Siegfried Pater hatte eine engen, freundschaftlichen Kontakt zu Dom Rodrigues, er machte dessen Anliegen auch zu seinen eigenen. Ein ganzes Kapitel widmet er in seinem Buch „Abenteuer Gerechtigkeit“ seinem Freund, den er sehr verehrte: „Im Schatten des gigantischen Staudamms Sobradinho. Als David gegen Goliath, das ist auch heute noch erfolgreich.“ Dort berichtet er über das Aufgreifen und den Umgang mit der Problematik „Sobrandinho Stau-damm“ in Deutschland:

Der Film „Terra Roubada – Geraubte Erde“, wurde in Brasilien gedreht und zeigt die katastrophalen Auswirkungen des Staudamms auf die dort lebenden Menschen, die auf beeindruckende, anrührende Weise wechselseitig im Gespräch mit den Filmemachern zu Wort kommen. Er wurde im Oktober 1980 aus Zensurgründen nur im WDR 3 und im HR innerhalb einer achtteiligen Serie „Götter, Gräber und Experten“ ausgestrahlt, die über gelungene Projekte in der Dritten Welt berichtet und erregte die Aufmerksamkeit vor allem von Dritte-Welt-Gruppierungen. Im Mai 1980 wurde die ila (Informationen über Lateinamerika) beim Besuch des brasilianischen Außenministers Guerreiro erstmalig aktiv mit der „Sobradinho-Kampagne“ gegen den von auch deutschen Entwicklungshilfegeldern finanzierten Völkermord. In der Zeitschrift für kritische Christen, „Publik-Forum“, konnte Siegfried Pater regelmäßig berichten, und kirchliche Gemeinden wurden neue Zielgruppen.

Ab Oktober 1980 wurden von der ila die Verursacher des Elendes angeprangert und man versuchte, den Bau eines weiteren Staudammes Itaparica am Rio Sao Francisco zu verhindern. Ein Brief an den damaligen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Rainer Offergeld, schilderte die menschenverachtenden Vorgänge unter deutscher finanzieller und technischer Beteiligung und forderte, keine Steuergelder mehr in Großprojekte solcher Art fließen zu lassen und die Opfer angemessen finanziell zu entschädigen.„Terra Roubada“ erregte einen großen Protest der Zuschauer, von denen 80 % diese Art der  Entwicklungshilfe ablehnten. 

Daraufhin reiste Siegfried Pater nach Brasilien, um mit Bischof José, in dessen Bistum große Flächen überflutet worden waren, den Widerstand zu koordinieren. Seit 1975 kämpfte der bescheidene, herzliche „Dom José“ mit den Bauern und Fischern als deren kirchlicher Vertreter gegen die menschenverachtende Politik und wurde so als Hoffnungsträger zum „Bischof der Geknechteten“ und zum Gegner der Profiteure, sodass er auch damit rechnen musste, ermordet zu werden.

Wieder in Deutschland, organisierte Siegfried Pater als Druckmittel auf das Entwicklungshilfe-ministerium zahlreiche Aktionen mit Dritte-Welt-Gruppen und sammelte Spendengelder. Er reiste wiederum nach Brasilien, um dort ein Buch über Dom José zu schreiben. Dieser besuchte Siegfried Pater später in Deutschland, weil er sich im Vatikan „Ohrfeigen wegen seines Engagements abholen“ musste, denn José hatte den Großgrundbesitzern die Kommunion verweigert, weil sie Mörder für die Kleinbauern beauftragt hatten.

Als die deutsche Friedensbewegung 1983 einen Ersatz für den Erzbischof von Seattle, Raymund Hundhausen, suchte, der von Kardinal Höffner verboten bekommen hatte, dort zu sprechen, erklärte sich Dom José bereit, ihm wurde aber von kirchlichen Kreisen nahegelegt, darauf zu verzichten, um nicht Gelder von Misereor zu gefährden. Der Spiegel berichtete darüber, die Kirche dementierte.

Unter dem Namen „Mandacaru“ liefen die Aktionen sehr erfolgreich weiter: Über 10 000 Protest-Unterschriften erhielt das Bundesministerium, über 100 000 DM Spendengelder bekam der Bischof, der Film „Chico Velho – Der große Fluss der kleinen Leute“ motivierte neu, unzählige Dritte-Welt-Gruppen bildeten und solidarisierten sich mit den Opfern, der Bau eines weiteren Staudammes wurde durch den großen Druck verhindert.

Das Erfolgsrezept sieht Siegfried Pater darin, dass er willige Menschen einmal durch seine Bücher und Filme, mehr aber noch durch seine Vorträge, vor allem an Schulen, bewegt hat. Seine Authentizität, seine selbst erlebten beeindruckenden Erzählungen und sein Kampf gegen Unrecht und Ausbeutung motivierte unzählige zum gesellschaftlichen Engagement. Im Rahmen der Städtepartnerschaft Bonn-Petropolis besuchte er im Jahre 1994 mit einer 14-köpfigen Gruppe das Projekt, und sie lernten den kleinen, bescheidenen Bischof im großkarierten, über die Hose hängenden Hemd mit seinem Kampfgeist und Elan intensiv kennen. Das ist die nachhaltigste Art der Information, und das bestätigte sich für Siegfried Pater immer wieder aufs Neue.

Am Ende des Kapitels berichtet Siegfried Pater über eine erschütternde Begebenheit in der Franziskaner-Kirche in Sao Paulo, die viele Menschen gerne besuchen, um Ruhe zu finden und Kraft zu schöpfen. Während er selbst dort verweilte, erschoss sich vor den Augen aller ein verzweifelter Familienvater direkt am Altar. „Er lag da unter dem Kreuz wie ein Menschenopfer der grausamen Wirtschaftspolitik, die dieses so reiche Land in die Verelendung getrieben hat. Die Selbstmorde vor oder in den Kirchen häufen sich, da die Verzweifelten ´nahe bei Gott um Vergebung der Sünde des Selbstmordes bitten wollen´, so die Einschätzung des Padres des Franziskanerordens, der mich in der Kirche empfangen hatte. Er war es auch, der mich aufforderte,  den Mann in seinem Blut zu fotografieren, um das Bild in Deutschland zu zeigen als Symbol für die weltweite mörderische Wirtschaftsdiktatur, die Menschen in den Tod treibt. Der Padre nahm mich in den Arm und sagte: Er ist kein Selbstmörder, sondern ein Opfer der strukturellen Gewalt, wie wir Befreiungstheologen sagen.“ Das Bild erschien in vielen Medien und löste viele Reaktionen aus.

Ich selbst habe Siegfried mehrere Male in meine Schule zu Vorträgen eingeladen. Es wurde schon Teil des Lehrplanes der 8. Klassen, dass er den Stoff durch seine spannenden Erzählungen und Beispiele ergänzend konkretisierte. Meine Schüler hörten immer gebannt zu und arbeiteten gerne zu. Der absolute „Renner“ war die Vogelspinne, die er in einem Marmeladenglas, in Formalin haltbar gemacht, zeigte.

Ich persönlich habe Siegfried sehr geschätzt und „unendlich“, wie er gerne sagte, viel von ihm gelernt: die Fakten über die Situation in den unterprivilegierten Ländern, seine Sichtweise über die Art der Entwicklungshilfe, sein Tipp „Handle hier und du hilfst der Dritten Welt“, seine Klarheit, seinen Mut, sein Durchhaltevermögen trotz vieler Widrigkeiten und Erschwernisse, sein Kampf für Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung, seine Kenntnis über die Theologie der Befreiung, die mich schon als Schülerin fasziniert hat, sein Urteilsvermögen, seinen hilfreichen, weisen Rat ... Seine wohlwollende, freundliche Art und sein Humor, sein Lachen und seine Herzlichkeit machten jedes Treffen zu etwas Besonderem: nachwirkend, motivierend, bereichernd, aufbauend, frohmachend.

Aber das Allergrößte und Wichtigste war und bleibt unsere tiefe, vertrauensvolle Freundschaft, für die ich sehr dankbar bin.

Brigitte Karpstein

Siegfried Pater und die Umweltfragen

Umweltfragen drängten sich Siegfried Pater bereits in seiner Zeit als Entwicklungshelfer auf, also schon Ende der sechziger Jahre. Denn in der Nähe von Maceio im trockenen Nordosten Brasiliens lief einiges gegen die Natur. Als Beispiel wäre der Anbau von Früchten für den Weltmarkt zu nennen, der nichts zu tun hatte mit den Feldfrüchten, von denen sich die Einheimischen ernährten. Oder: Ein riesiger See wurde aufgestaut, der die Bauern von ihren Feldern vertrieb. Empört kam SP nach Deutschland zurück und wechselte seinen Beruf; denn sein Lebensziel sollte von da an die Information unserer Bevölkerung werden.

Auch hier musste Pater nicht lange suchen, um Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen zu finden. Die Zerstörung der Umwelt in den Industrieländern wurde laufend auffälliger, so dass bereits mutige Journalisten, freie, und auch welche in den Rundfunkanstalten, zu Mahnern wurden. Mit denen verbündete er sich. Zu nennen wären hier Harald Pawlowski von Publik Forum, Al Imfeld, Erhard Meueler und Franz Alt.

Doch wo Siegfried Pater auch hinkam – er stieß auf massive Umweltprobleme, wie in Bangladesh, wo Wasser durch Arsenbelastung zu schwersten Krankheiten führt. Manchmal war ihm das Glück hold und er fand jemanden, mit dem er die missliche Situation mildern konnte: Ein Arzt baute Kohlefilter, die für ein halbes Jahr das Trinkwasser von Arsen befreite, und er, der Journalist, der schnell mit den Lebensformen der einheimischen Menschen vertraut war, übernahm die Bekanntmachung und das Einsammeln von Gelder, mit denen die erstaunlich preiswerten Filter gekauft werden konnten; und viele böse Schicksale wurden verhindert. Natürlich entstand, wie üblich, ein Buch über seine Erfahrungen.

Daheim im industriellen Teil der Welt wurde ihm schon sehr früh klar, dass wir mit dem Wachstums-Mantra und unserem Umgang mit Ressourcen die natürlichen Grundlagen überstrapazierten. Besonders wurde die Belastung deutlich am Beispiel der Atmosphäre. Und da war die Ursache im wesentlichen der Kohlenstoffausstoß durch die Energieträger Kohle, Öl, Gas.

Es gab aber jemanden, der genau an dieser Stelle ansetzte und für unsere Erde eine völlig gefahrlose Strategie vorschlug, nämlich die Sonne zur Energiegewinnung zu nutzen. Das war Hermann Scheer, MdB  der SPD. Die Idee der Sonnennutzung faszinierte SP dermaßen, dass er sich in Scheers Argumentationen einarbeitete und in den neunziger Jahren über diesen Mann ein Buch verfasste, „Hermann Scheer, Anwalt der Sonne“.

Für den Energiepolitiker ist die anhaltende Ignoranz gegenüber den riesigen Chancen der Sonnenenergie ein eklatantes politisches Versäumnis, das gemeingefährliche Ausmaße annahm. Deshalb setzt er dem atomar-fossilen Krieg gegen die Natur die vollständige Ablösung atomarer und fossiler Energien durch die unerschöpflichen erneuerbaren Energien entgegen. Die Realisierung dieses Konzeptes ist nicht ein technisches und auch nicht ein ökonomisches Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches und damit kulturelles. Es zeigt, dass die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien eine einzigartige zivilisatorische Chance der Menschheit ist.

Was Siegfried Pater sogleich einleuchtete: Die Regenerativ-Energien sind weltweit grenzenlos verfügbar, unschädlich für die Gesundheit und keiner automatischen Verteuerung unterworfen – eigentlich unschlagbar. Dennoch werden diese Argumente (verfügbar, sicher, bezahlbar) auch heute noch in mächtigen wirtschaftspolitischen Kreisen bewusst den konventionellen Energieträgern zugeschrieben. Unverständlich, aber wahr.

Das alles hat er in seinem Scheer-Buch klar und bestimmt dargelegt. Heute wissen wir, dass nur eine Explosion der erneuerbaren Energien den Planeten in seiner großartigen Natürlichkeit bewahren kann. Beide, Siegfried Pater und Hermann Scheer, hatten das zu ihren Lebzeiten längst gewusst.

Klaus Karpstein

Flüchtlinge und Migration 

Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2023:

„Die Zahl der Menschen, die weltweit vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen müssen, war noch nie so hoch wie heute."

Laut dem Mid-Year Trends Report des UNHCR beträgt die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen weltweit rund 103 Millionen. Die Zahl umfasst Flüchtlinge, Asylsuchende, Binnenvertriebene und andere schutzbedürftige Menschen. Verglichen mit dem Stand von Ende 2021 bedeutet diese Zahl, dass derzeit 13,6 Millionen Menschen mehr auf der Flucht sind als im Vorjahr - dies macht einen Anstieg von 15 Prozent. Eine unvorstellbare Zahl, die vor zehn Jahren niemand erwartet hätte. So waren Ende 2021 bereits mehr als doppelt so viele Menschen auf der Flucht als noch vor zehn Jahren. Von 2020 auf 2021 betrug die Steigerung 8 Prozent.“ Quelle:  www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen vom 26.04.2023

Wenn ich an Siegfried Pater in diesem Zusammenhang denke, taucht ein Satz sofort vor meinen Augen auf: „Wenn wir keine ernsthaften Anstrengungen unternehmen oder unsere Anstrengungen keinen Erfolg haben, den Menschen in den Entwicklungsländern lebenswürdige Bedingungen und Lebensperspektiven zu verschaffen bzw. dabei helfen diese vor Ort zu schaffen, dann werden insbesondere die Menschen des Südens früher oder später zu uns kommen!“

Spätestens die Bilder vom Bahnhof Budapest im September 2015 mit tausenden von Migranten haben die Richtigkeit dieser Aussage etwa ein halbes Jahr nach Siegfried Paters Tod auch für breite Teile der deutschen Öffentlichkeit sichtbar und spürbar werden lassen.Um es zu betonen und ausdrücklich zu sagen: Der Satz urteilt nicht und er verurteilt schon gar nicht. Genauso wenig will er Schwierigkeiten und Probleme die im Zusammenhang mit Migration stehen ausblenden noch relativieren. Er beschrieb vor etwa 40 Jahren nur das, was als Thema in den letzten Jahren auf uns zugekommen ist und weiterhin mit zunehmender Intensität auf uns zukommen wird.

Der Satz entstand in einer Zeit, in der „Ausländer“ bei uns noch „Gastarbeiter“ waren und in der die Welt noch fein säuberlich in die 1., 2. und mindestens 3.Welt, manchmal – je nach Autor - bis zur 5. Welt aufgeteilt war. Und – ja, ich polarisiere – Migranten für viele Deutschen lediglich durch den monatlichen Pizzeriabesuch oder durch ein Glas Wein beim Griechen auf der Ecke sichtbar wurden. Keine Frage: Siegfried Pater hat sich in den 70er Jahren nach seiner Rückkehr aus Brasilien mit Leidenschaft und Verve an der Diskussion über interne und externe Gründe für Unterentwicklung und Armut in den Ländern des Südens beteiligt. Um Abhängigkeiten und Interdependenzen aufzuzeigen: Ja. Um zu moralisieren? Nein. Um das Bewusstsein zu schaffen, für das was Notwendig ist, um Menschen vor Ort eine Lebensperspektive zu verschaffen: Ja. Daher war die Bildungsarbeit über die Zusammenhänge zwischen Nord und Süd damals das Gebot der Stunde.

Und heute? Die Krisen und Ihre Regionen sind bekannt: „Flüchtlinge und Asylsuchende - Die Anzahl der Flüchtlinge ist bis Mitte 2022 auf 32,5 Millionen gestiegen. 26,7 Millionen Flüchtlinge stehen unter dem UNHCR-Mandat - 5,8 Millionen sind palästinensische Flüchtlinge, die von UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) betreut werden. Dazu kommen 5,3 Millionen schutzbedürftige Menschen, die sich einer flüchtlingsähnlichen Situation befinden. Darunter zum Beispiel Venezolaner*innen.     67 Prozent der Flüchtlinge und ins Ausland vertriebenen Venezolaner*innen kommen aus nur 6 Ländern: Syrien bleibt weltweit das größte Herkunftsland von 21 Prozent der Flüchtlinge, gefolgt von VenezuelaUkraineAfghanistan  Südsudan und Myanmar. Aber auch in vielen anderen Ländern kam es zu tausendfachem Flüchtlingselend. Der Hunger im Osten Afrikas oder die Kämpfe im Jemen, im Irak und in Nigeria zwangen jeweils Hunderttausende zur Flucht.

  • 42 % Prozent der Geflüchteten sind Kinder
  • 69 % Prozent aller Flüchtlinge leben in den Nachbarländern
  • 2,2 Millionen Flüchtlinge & Asylsuchende lebten 2022 in Deutschland 

Quelle:  www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen vom 26.04.2023

Die Konflikte und Krisen haben alle ihre eigene Geschichte und man sollte Sie individuell betrachten (Stichworte Ukraine) und Nein nicht alle diese Menschen werden nach Europa oder in die USA einwandern, aber für zahlreiche ist eben doch das Ziel.Der Konflikt in den westlichen Ländern spitzt sich zwischen „Refuges Welcome“ und „Stoppt die Flüchtlingswelle“ zu. Dieser Konflikt kann rau werden und die aktuelle politische Situation mit gespaltenen europäischen Gesellschaften zwischen Integration einerseits und Abschottung und Nationalismus andererseits mag viele ängstigen. Allerdings zeigen die politischen Spannungen letztlich nur, dass wir Probleme in einer globalisierten Welt nicht dauerhaft verdrängen können.

Siegfried Pater: „Finanzströme können in Sekundenschnelle über den ganzen Planeten bewegt werden. Waren werden mit immensem Aufwand täglich über den ganzen Globus transportiert. Die Menschen mögen aber bitte schön immer dableiben, wo Sie sind.“ Aus Sicht eines einzelnen Staates mag das logisch - ja sogar zwingend sein - aus der Sicht eines Menschen der die Erde als einen Organismus versteht und sich der vielfältigen Wechselwirkung bewusst ist, ist diese Vorstellung geradezu absurd. Siegfried Pater war so ein Mensch.       

Klima und Migration  

Die Klimathematik kann aus meiner Sicht bewirken, dass die bisherige Unterscheidung Wirtschaftsflüchtling und Asylsuchender politisch und als Narrativ auf supranationaler Ebene - zumindest mittelfristig und langfristig - an Bedeutung verlieren wird. Denn wenn die Weltgemeinschaft und deren internationale Organisationen anerkennen, dass Menschen in bestimmten Gebieten aufgrund des Klimawandels nicht länger eine ausreichende Lebensgrundlage finden und deshalb - wie durch die UN geschehen - die Rechte von Klimaflüchtlingen stärken, dann entfällt für diese Gebiete letztlich die Unterscheidung Asylsuchender oder Wirtschaftsflüchtling. Sollten beispielsweise bestimmte Regionen, Landschaftsräume oder ganze Staaten (z.B. in der Sahelzone) durch den Klimawandel bedingt teilweise oder sogar vollständig ihre Tragfähigkeit verlieren, dann sind die dort abwandernden Menschen weder Wirtschaftsflüchtlinge noch politisch Verfolgte. Die Einteilung „Sicheres Herkunftsland“ ist für Migrationsbewegungen aus den vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten dann ebenso hinfällig wie die Betrachtung von Einzelfällen.

Politisch bedeutet dies nicht weniger als einen Paradigmenwechsel. Kommen wir in eine Situation in der die Staatengemeinschaft große Wanderungsbewegungen aufgrund fehlender Tragfähigkeit formal anerkennen, müssen diese organisatorisch und politisch gelöst werden.   Nicht falsch verstehen, dass ist sehr kompliziert und wird in der Praxis heftige Konflikte und politische Verwerfungen nach sich ziehen. Zumal viele Klimaflüchtlinge, wie auch Kriegsflüchtlinge zunächst nur in das Nachbarland migrieren. Diese haben aber zum Beispiel in Afrika oder dem Nahen Osten gleiche oder zumindest ähnliche Probleme und so werden sich die Wanderungsbewegungen in einem Dominoeffekt fortsetzen. 

Die Karten werden neu gegeben 

Siegfried Pater hat gerne in die Zukunft gesehen und auch wir sollten das ab und zu tun. Also wage ich es mal: Vermutlich wird es langfristig ebenso darum gehen Wanderungsströme zu verhindern wie es darum gehen wird, diese zu lenken. Maßgabe wird dann die jeweilige Tragfähigkeit des Raums sein.     Menschen wie Siegfried Pater haben in den 70er Jahren gesagt, wir dürfen den Ländern des Südens - auch in unserem Interesse - nicht alle Ressourcen nehmen und zwar aus ökonomischen und aus ökologischen Gründen. Diese Leute wurden politisch attackiert oder mit der Macht des ökonomisch Stärkeren belächelt. Heute ist den Meisten das Lächeln vergangen.               

Die Klimabewegung im wohlhabenden Norden hat nicht zuletzt deshalb so viel Zulauf, weil Sie auch um die eigenen Lebensgrundlagen fürchtet, denn die Folgen der Erderwärmung bekommen Alle zu spüren. Natürlich macht es dabei einen gravierenden Unterschied ob ich mit den finanziellen, organisatorischen und infrastrukturellen Möglichkeiten von Schweden die Folgen des Klimawandels bewältigen muss oder mit denen eines Staates in der Sahelzone. Aber der entscheidende Unterschied zu den bisherigen lokalen und nationalen Umwelthemen ist und bleibt: Wir können in Deutschland und Europa  Dekarbonisierung und Klimaschutz mit viel Ehrgeiz angehen, wenn die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde, China und Indien, mit ihrer stetig wachsenden Mittelschicht das Thema nicht ebenfalls angehen, bleiben unsere Bemühungen nahezu wirkungslos bzw. werden ständig konterkariert. Denn sowohl der Anteil der Weltbevölkerung außerhalb „des Westens“ als auch deren wirtschaftliche Bedeutung nehmen kontinuierlich zu.   

Hinzukommen die seitdem Ukraine-Krieg immer deutlich sichtbar werdenden geopolitischen Verschiebungen. So gewinnen zum Beispiel die BRICS-Staaten an Bedeutung. Vereinfacht kann man sagen, die Handelsbeziehungen von Rohstoffen und seltenen Erden werden in den kommenden Jahren zumindest in Teilen global neu verhandelt. Das dabei nun zahlreiche Akteure in der ersten Reihe sitzen, die der Westen vorher gerne auf die Reservebank gesetzt oder gar nicht erst in den Kader aufgenommen hat, macht die Sache aus europäischer Sicht sicherlich nicht einfacher.           

Ausblick

Veränderungen gelingen besser, wenn man selber etwas zu verlieren hat. Das kann man bedauern, aber man kann es auch positiv sehen. Möglicherweise werden wir in 10, 15 oder 25 Jahren global eine Generation von Entscheidern haben, die den Schutz der natürlichen Ressourcen nicht nur theoretisch versteht, sondern auch lebt. Dass Menschen und Ihre komplexen Systeme erst reagieren kurz bevor es zu spät ist, hätte Siegfried Pater - der immer gerne das Große mit dem Kleinen verbunden hat - an das Einwerfen seiner Seminararbeiten in den Nachtbriefkasten an der Hauptpost in Bonn während seines Fernstudiums erinnert und schmunzeln lassen.